"Eine Chance für die ganze Region"
Frau Pfeiffer-Poensgen, Sie gelten als eine der großen Überraschungen im Personaltableau im Kabinett Laschet. Wie kam es dazu, dass Sie Ministerin geworden sind?
Isabel Pfeiffer-Poensgen: Als der Koalitionsvertrag bereits stand, gab es ein Treffen mit Herrn Laschet in Berlin, in dessen Verlauf er mir das Amt angeboten hat. Ich habe etwas Bedenkzeit erbeten, schließlich musste ich klären, ob ich so schnell aus meiner bisherigen Tätigkeit als Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder ausscheiden konnte. Zehn Tage nach dem ersten Gespräch habe ich die Ernennungsurkunde im Landtag erhalten.
Der Abschied aus Berlin ist Ihnen schwer gefallen?
Pfeiffer-Poensgen: Ja, auch weil ich dort eine sehr schöne Aufgabe hatte. Wir konnten große kulturpolitische Themen angehen, ob das die deutsch-russischen Museumsbeziehungen waren oder der enteignete jüdische Kunstbesitz. Aber auch neue Aufgaben können sehr reizvoll sein. Und auch der Stiftung gibt es frische Impulse, wenn nach zwölf Jahren ein Wechsel an der Spitze stattfindet.
Es heißt, mit Ihrer Ernennung zur Kulturministerin wollte der Ministerpräsident deutlich machen, dass Kultur wieder einen höheren Stellenwert haben soll. Was heißt das konkret?
Pfeiffer-Poensgen: In NRW sind in den letzten Jahren erhebliche kulturpolitische Fehler gemacht worden, nehmen Sie nur mal den Verkauf großer Kunstwerke, die im Besitz von landeseigenen Unternehmen waren. NRW war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein bedeutendes Kunstland; dieses Handlungsfeld wurde in der jüngeren Vergangenheit vernachlässigt. Für mich sind aber Kunst und Kultur wichtige Zukunftsthemen für das Land. Gerade in Zeiten politischer und gesellschaftlicher Krisen ist es wichtig, Menschen durch Kunst und Kultur zusammenzuführen.
Sie sind eine parteilose Ministerin. Ist es nicht ein Nachteil, ohne eine Partei im Rücken als Ministerin arbeiten zu müssen?
Pfeiffer-Poensgen: Durch meine frühere Tätigkeit als Kultur- und Sozialdezernentin der Stadt Aachen bringe ich diesbezüglich Erfahrung mit. Am Ende des Tages müssen Sie die Parlamentarier von ihren Projekten überzeugen.
Und Sie haben nie daran gedacht, in eine Partei zu gehen?
Pfeiffer-Poensgen: Vielleicht ist das bei mir biografisch begründet. Ich komme ja aus der Nach-68er-Generation. Und die Kontroversen, die es seinerzeit fast überall gab, gab es auch in meiner Familie. Als jüngstes Kind war das Thema nach diesen Erfahrungen für mich erledigt. Später – beispielsweise als persönliche Referentin eines Hamburger Senators – habe ich versucht, die anstehenden Themen immer sehr sachbezogen zu betrachten. Es gab für mich nie den Wunsch, in eine Partei einzutreten.
Die neue Landesregierung hat sich vorgenommen, den Kulturetat in den kommenden fünf Jahren von 200 auf 300 Millionen Euro zu erhöhen. Doch auch damit umfasst der Kulturetat nur einen Bruchteil des Landesetats. Sind Sie mit dieser Vorgabe zufrieden?
Pfeiffer-Poensgen: Das ist ein deutlicher Aufwärtstrend, aber damit will ich nicht zufrieden sein. Wir können nun unter Druck stehenden Kultureinrichtungen immerhin schon mal eine gewisse Entlastung geben – auch wenn es im Vergleich zu anderen Bundesländern immer noch eine bescheidene Summe ist.
Sie haben darauf hingewiesen, dass die bisherige finanzielle Förderung der kommunalen Theater und Orchester durch das Land nicht ausreichend ist. Es wäre schön, wenn wir Genaueres erfahren könnten.
Pfeiffer-Poensgen: Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, die Zuschüsse für kommunale Theater und Orchester stufenweise anzuheben. Dazu müssen wir jetzt ein Konzept erarbeiten.
Wollen Sie schon im Jahr 2018 einen ersten Schritt machen?
Pfeiffer-Poensgen: Das möchte ich gerne. Aber wie genau wir das ausgestalten, wird derzeit entwickelt.
Sie sind auch Hochschulministerin. Was sind große Herausforderungen in diesem Bereich? Ein neues Hochschulgesetz?
Pfeiffer-Poensgen: Die Überarbeitung des Hochschulgesetzes in Richtung einer größeren Eigenständigkeit der Hochschulen ist ein klarer Auftrag, den schon der Koalitionsvertrag formuliert. In der Weiterentwicklung der Hochschulen ist das neue Gesetz aber nur ein Baustein, bei dem es um die Entlastung von Auflagen geht. Mindestens ebenso wichtig sind die Entwicklungsperspektiven jeder einzelnen Hochschule zum Beispiel in ihren Forschungsbereichen und die jeweiligen baulichen Erfordernisse.
Zur geplanten medizinischen Fakultät in Bielefeld: Die Opposition sät Zweifel, ob die Landesregierung bereit ist, genug Geld dafür bereitzustellen.
Pfeiffer-Poensgen: Die Pläne sind erst einmal eine Chance für Bielefeld und die gesamte Region. Auch hier gilt: Aussagen über Kosten und über die genaue Ausgestaltung können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden.
Und wie geht es jetzt weiter?
Pfeiffer-Poensgen: Die Bielefelder Universität muss ein Konzept erstellen, das geschieht sicher nicht von heute auf morgen. Die Hochschule ist aber der erste Akteur in diesem Prozess. Wenn uns die Planungen schriftlich vorliegen, wird genauestens über die Einzelheiten zu sprechen sein. Denn am Ende muss ja etwas herauskommen, das auch der Wissenschaftsrat als zukunftsfähig betrachtet.
Verstehen Sie die Sorgen der Kliniken, die derzeit schon mit der Universität Bochum kooperieren und sich Gedanken machen, wo sie nach der Gründung einer Medizinfakultät in Bielefeld bleiben?
Pfeiffer-Poensgen: Natürlich verstehe ich das. Es ist doch selbstverständlich, das ganze Land im Blick zu haben. Also werden wir bei den Planungen auch das bereits existierende Bochumer Modell berücksichtigen.