"Ich kann sehr hartnäckig sein"
Mit der Wahl von Isabel Pfeiffer-Poensgen zur Kulturministerin hat Armin Laschet viele Kunstfreunde überzeugt. Im Interview spricht die Politikerin über rote Linien, Imageverluste und die Freiheit der Kunst.
Isabel Pfeiffer-Poensgen wirkt noch ein bisschen fremd in ihrem Büro. Erst vor ein paar Tagen hat die Ministerin für Kultur und Wissenschaft das Büro ihrer Vorgängerin bezogen. Doch während des Gesprächs spürt man, dass ihr Themen rund um die Künste vertraut sind. Die ehemalige Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder gilt als kompetent, ernsthaft und urteilsfähig. Kein Wunder, dass die Nominierung der parteilosen Juristin von der Kulturszene begrüßt wurde.
DIE WELT: Waren Sie überrascht über die Vorschusslorbeeren, die Ihnen entgegengebracht wurden?
Isabel Pfeiffer-Poensgen: Ich arbeite nun viele Jahre im Bereich der Kultur, da hört man zwar hier und da, dass eine Zusammenarbeit gelungen sei, aber dieses positive Feedback zu meiner Ernennung als Ministerin kam überraschend und hat mich natürlich sehr gefreut.
DIE WELT: Die einhellige Zustimmung hängt wesentlich zusammen mit dem kulturpolitischen Versagen Ihrer Vorgängerin. Nach der Bekanntgabe Ihrer Nominierung scheint für viele klar zu sein, nun wird die Kultur in NRW von einer erfahrenen Person geleitet.
Pfeiffer-Poensgen: Die Zustimmung ist mit großen Erwartungen verbunden. Das ist mir klar. Und die wollen erfüllt werden. Das ist eine große Herausforderung.
DIE WELT: Hat Ministerpräsident Laschet Ihnen einen Auftrag gegeben?
Pfeiffer-Poensgen: Herr Laschet hat den Wunsch an mich herangetragen, der Kultur in NRW einen größeren Stellenwert zu geben. Er selbst möchte sich auch mehr engagieren und an wichtigen Kulturereignissen teilnehmen. Wenn der Ministerpräsident sagt, dieses Thema hat Priorität, dann ist das ein wichtiges Signal für alle Kulturschaffenden.
DIE WELT: Auch für Sie als parteilose Ministerin.
Pfeiffer-Poensgen: Unbedingt – zumal wir eine Koalitionsregierung haben. Da ist es gut zu wissen, dass der Ministerpräsident hundert Prozent hinter dem Anliegen steht.
DIE WELT: Haben Sie so etwas wie einen Masterplan Kultur in der Tasche?
Pfeiffer-Poensgen: Ich muss mich erst einmal einarbeiten. Zwar kenne ich viele Institutionen im Lande aus meiner Aachener Zeit. Auch als Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder hatte ich Einblick in die Arbeit vieler Kulturinstitute. Aber jetzt werde ich erst einmal mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Haus Gespräche führen, um mir ein umfassendes Bild zu machen. Einige Leitplanken sind ja bereits im Koalitionsvertrag festgehalten – so etwa die Erhöhung des Kulturetats.
DIE WELT: Sie haben in den vergangenen Jahren in Berlin gearbeitet. Wie haben Sie von dort aus die Szene in NRW erlebt?
Pfeiffer-Poensgen: Was leider unvergessen bleibt, war der Verkauf der Werke von Andy Warhol aus dem Aachener Spielcasino durch den landeseigenen Casinobetreiber Westspiel. Das war ein fatales Signal und hat für NRW zu einem schweren Imageverlust geführt. Als Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder habe ich kritisch dazu Stellung genommen. Hier hatte die damalige Landesregierung eine rote Linie überschritten. Was diesen Vorgang vor allem so unverständlich machte, war die Geschichtsvergessenheit. NRW ist das Land, in dem die Nachkriegsmoderne entwickelt wurde. Und Andy Warhols Werke sind Teil dieser Geschichte.
DIE WELT: Welche Bedeutung wird die Historie für Ihre Politik haben?
Pfeiffer-Poensgen: Die Nachkriegs-Avantgarde, angefangen bei den Zero-Künstlern über Joseph Beuys bis hin zu den Fotografen Bernd und Hilla Becher samt ihren Schülern wie Andreas Gursky oder Candida Höfer hatte in NRW ihren Ursprung. Dazu gehörte auch die Musik mit Karlheinz Stockhausen, dem Studio für elektronische Musik in Köln und später Kraftwerk sowie der Tanz mit Pina Bausch. Wir sprechen hier von einer breit gefächerten Bewegung, die in Düsseldorf und Köln, in Krefeld und Leverkusen stattfand und die internationale Auswirkungen hatte. Wir sollten diese Seite stärker betonen, um daraus eine NRW-eigene Identität zu bilden.
DIE WELT: Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, einer Ihrer Vorgänger, wollte NRW als ein klares Gegengewicht zu Berlin positionieren.
Pfeiffer-Poensgen: NRW sollte sich nicht an Berlin abarbeiten, sondern kann selbstbewusst seine eigenen Qualitäten nach vorne bringen. Wenn man, wie ich, lange in Berlin gelebt hat, weiß man, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird. Wir haben hier ein ungeheueres Pfund an Museen, Theatern und Tanzinstitutionen, die auch noch auf einem festen historischen Fundament stehen. Damit sollten wir arbeiten.
DIE WELT: Wobei über neunzig Prozent der Kulturleistungen von den Kommunen geleistet werden, viele davon ausgestattet mit Kirchturmdenken. Wie wollen Sie da ein Profil für ein ganzes Bundesland entwickeln?
Pfeiffer-Poensgen: Dass die Kultur vorwiegend in kommunaler Hand ist, war bislang immer ein Argument, den Landesetat klein zu halten. Ich finde es vielmehr richtig, den Etat in dieser Legislaturperiode von 200 Millionen auf 300 Millionen Euro zu erhöhen. Damit können wir natürlich keine riesigen Sprünge machen, aber es erleichtert unsere Aufgabe, bessere Rahmenbedingungen zu setzen. Bislang wurden die dezentralen Strukturen in NRW als Problem gesehen. Wir sollten umdenken, sie als Chance begreifen. Gerade in einer Zeit der Krisen und Anschläge müssen wir vermehrt darauf achten, möglichst viele Menschen mit Kultur zu erreichen. Die Beschäftigung mit den Künsten ist eine Möglichkeit, friedliches Zusammenleben zu fördern. Dazu ist die dichte Kulturlandschaft in NRW geradezu ideal. Das kann vor Ort schon mit dem Bücherbus anfangen.
DIE WELT: Viele Kommunen sind finanziell ausgelaugt. Daher hat die Vorgängerregierung mit dem Kulturfördergesetz versucht, den Kulturpolitikern in den Kommunen den Rücken zu stärken.
Pfeiffer-Poensgen: Das Problem ist: Dieses Gesetz hat keine bindende Funktion. Nach wie vor ist Kultur eine freiwillige Aufgabe. Daher gilt es erst einmal, das Bewusstsein für Kultur zu stärken. Wenn der Ministerpräsident ihr Fürsprecher ist, ist das wesentlich und hat sicher Auswirkungen auf die Politik in den Kommunen.
DIE WELT: Setzen auch Sie, wie die Regierung von Hannelore Kraft, auf Vermittlung als Leitidee?
Pfeiffer-Poensgen: Den Zugang zur Kultur zu fördern, ist elementar. Aber man darf die Kultur nicht als Reparaturstelle, als Standortfaktor, als Integrationsmotor der Gesellschaft benutzen. Die Künste haben auch ein Recht aus sich heraus. Wenn das nicht gesichert ist, gibt es keine künstlerische Entwicklung. Dennoch: Ich bin davon überzeugt, dass man in den Schulen unbedingt mehr Kulturangebote machen muss. Kinder und Jugendliche sollen ins Museum, ins Theater, in Konzerte gehen können. Auch die Theaterlandschaft muss gestärkt werden. Der Theaterpakt, den Ministerin Schäfer ins Leben gerufen hat, ist ein mögliches Instrument. Ich werde aber die Autonomie der Kunst nicht gegen die Vermittlung ausspielen. Beide werden eine Rolle in meiner Arbeit spielen.
DIE WELT: Unsere Gesellschaft verändert sich. Die abendländische Kultur bekommt morgenländische Einflüsse. Es gibt Menschen, die fühlen sich dadurch bedroht, andere sehen darin Chancen. Ist dieser Wandel nicht auch ein Fall für die Kulturministerin?
Pfeiffer-Poensgen: Es gibt viele Modelle, die sich auf den Wandel einstellen. Das Gorki-Theater in Berlin beispielsweise macht gutes postmigrantisches Theater. Ich bin sicher, dass es auch in NRW solche Ansätze gibt. Aber häufig ist die Teilhabe beziehungsweise Nicht-Teilhabe an Kultur keine Frage der Migration, sondern ein soziales Problem.
DIE WELT: Im Landtag von NRW sind 16 Vertreter der AfD. Der Kulturbegriff dieser Partei ist nationalistisch geprägt. In Sachsen-Anhalt haben AfD-Politiker versucht, in das Programm von Theatern einzugreifen, um ihre Vorstellung von deutscher Kultur durchzudrücken. Falls so etwas in NRW passierte, wie würden Sie dem begegnen?
Pfeiffer-Poensgen: Wir stehen auf dem Boden des Grundgesetzes. Das definiert deutlich die Freiheit der Kunst. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Abgeordneten der AfD in freier und geheimer Wahl gewählt wurden. Wir werden daher mit ihnen arbeiten wie mit allen Abgeordneten. Falls allerdings jemand versucht, auf Theater- oder Museumsleiter einzuwirken, dann werde ich zur Anwältin der Kultur. Und glauben Sie mir, ich kann sehr hartnäckig sein.
DIE WELT: Rückenstärkung benötigt auch der Kölner Schriftsteller Doğan Akhanli, der aufgrund eines Haftbefehls der türkischen Regierung in Spanien verhaftet wurde und nun das Land nicht verlassen darf. Akhanli, vormals türkischer Staatsbürger, ist ein Kritiker des Präsidenten Erdogan. Menschenrechtsverbände erklären, das sei der Grund für seine Verhaftung. Wie gehen Sie mit dem Fall dieses Schriftstellers aus NRW um?
Pfeiffer-Poensgen: Ich finde diesen Zustand unerträglich. Wenn es hier zum Äußersten käme und Doğan Akhanli ausgeliefert werden würde, wäre das eine Katastrophe für sehr viele Kulturschaffende in Deutschland, die einen ähnlichen Hintergrund haben wie er. Denn das würde bedeuten, dass diese Künstler nicht mehr reisen können. Und internationale Kontakte sowie räumliche wie geistige Bewegungsfreiheit sind für Künstler absolut essenziell.
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