"NRW muss sich nicht unentwegt an Berlin abarbeiten"
Mit der neuen Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen hat die Kultur in Nordrhein-Westfalen wieder eine gewichtige Stimme. Als erstes will sie die Theater im Land stärken.
Düsseldorf (dpa/lnw) - Es war eine der großen Überraschungen in der neuen schwarz-gelben Regierung Nordrhein-Westfalens: Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ernannte die bundesweit bekannte Kulturexpertin Isabel Pfeiffer-Poensgen zur neuen Kulturministerin. Aus der Kulturszene bekam die bisherige Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder Vorschusslorbeeren. Am 8. Oktober ist sie 100 Tage im Amt. Die Deutsche Presse-Agentur sprach mit der parteilosen Ministerin über ihre Pläne für NRW und über die Kulturpolitik im Bund. NRW habe es nicht nötig, sich an Berlin abzuarbeiten, so Pfeiffer-Poensgen: "Auch in Berlin wird doch häufig nur mit Wasser gekocht."
Frage: Was halten Sie von der Forderung des Deutschen Kulturrats nach einem Bundeskulturministerium?
Antwort: Ich bin da dezidiert anderer Meinung. Bei aller Wertschätzung des Kulturrates, die Ansiedlung der Staatsministerin für Kultur im Kanzleramt mit der großen Unterstützung von Frau Merkel ist eine sehr glückliche Konstellation. Das hat sich enorm bewährt. Die Kombination hat der Kultur einen riesigen Schub auch auf Bundesebene gegeben. Das ist natürlich auch dem sehr energiegeladenen Wirken von Monika Grütters zu verdanken, die einfach viele Dinge vorangetrieben hat.
Frage: Was ist dann der Vorteil eines eigenständigen Kulturministeriums in NRW?
Antwort: Sicherlich eine größere Sichtbarkeit der Kultur. Das ist auch ein klares Statement der Gewichtung dieses Bereichs. Es wurde ja von vielen Seiten bedauert, dass die Kultur in der Politik kaum mehr sichtbar war. Aber es geht auch um Anerkennung und Anteilnahme am gesamten kulturellen Geschehen in diesem Land. Das schwierige Ergebnis der Bundestagswahl verdeutlicht die Notwendigkeit.
Frage: Sie meinen den Einzug der AfD in den Bundestag. Wie muss die Kultur auf den Rechtsruck in Deutschland reagieren?
Antwort: Sie muss noch viel sichtbarer werden, auch wenn ganz viele Themen wie Integration und Flüchtlingsströme auf den Bühnen der Theater längst präsent sind. Wir müssen den Bühnen aber die Möglichkeit geben, das noch stärker nach außen zu transportieren. Diese Themen sprechen auch junge Menschen an. Und darin liegt auch eine Chance für die Zukunft der Theater.
Frage: Wie wollen sie denn die Theater in NRW vor allem in klammen Städten stärken? Werden Sie das zusätzliche Geld im Kulturetat künftig dafür einsetzen?
Antwort: Dass Bühnen und Orchester gestärkt werden müssen, steht außer Frage. Das wird sicher mein erstes Projekt sein. Wir sind jetzt dabei, eine transparente Systematik zu entwickeln, wie wir die Gelder sinnvoll und zielgerichtet verteilen. Es wird ja eine Erhöhung des Etats um insgesamt fünfzig Prozent in fünf Jahren geben. Dieser Aufwuchs wird über fünf Jahre verteilt. Es wird also ein gestuftes System geben. Ich bin kein Freund des Gießkannen-Prinzips, sondern von klugen Impulsen. Ich habe ebenfalls im Blick, dass wir den Städten einen Anreiz geben müssen, auch ihrerseits an Bord zu bleiben.
Frage: Was halten Sie von privaten Initiativen zur Unterstützung von Kultur in notleidenden Städten?
Antwort: Da rennt man bei mir offene Türen ein. Allerdings darf dies keine Einladung für öffentliche Träger sein, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Private Aktivitäten finde ich nicht nur wegen des Geldes wichtig, sondern auch wegen der damit verbundenen Verankerung in der Bürgerschaft. Das ist gerade in Zeiten, in denen es auch um Einsparungen geht, wichtig.
Frage: Sie gehörten zu den scharfen Kritikern des millionenschweren Verkaufs der Warhol-Bilder aus dem Aachener Spielcasino und waren als Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder an der Rettung der Portigon Kunstsammlung beteiligt. Besteht die Gefahr, dass noch einmal Kunst aus indirektem Landesbesitz verkauft werden könnte?
Antwort: Nein, mit mir nicht. Es gibt dazu im Übrigen das Vorhaben im Koalitionsvertrag, dass wir ein digitales Register für Kunst im Eigentum des Landes und landeseigener Gesellschaften anlegen wollen. Das ist relativ aufwendig. Ich hoffe, der Aufstand, den es um die Warhol-Bilder und Portigon glücklicherweise gab, hat allen deutlich gemacht, wie sensibel man mit diesem Thema umgehen muss.
Frage: Die Portigon-Kunst wird an Museen im Land verteilt. Es gibt aber auch noch wertvolle Kunst im Bestand des zu Westspiel gehörenden Aachener Spielcasinos. Was sollte damit passieren?
Antwort: Da sind noch viele wichtige Werke. Sie sollten als Leihgaben in Museen kommen, das ist doch viel besser als sie im Depot zu lagern. Museen pflegen diese Werke und zeigen sie der Öffentlichkeit. Diese Werke sind schließlich von einem privatrechtlich organisierten, mit öffentlichen Mitteln finanzierten Unternehmen, zur Einrichtung des Aachener Casinos angekauft worden.
Frage: Die landeseigene Kunstsammlung NRW wurde vom Landesrechnungshof gerügt und dem Land empfohlen, Gespräche über wirtschaftliche Zielvorgaben wie Besucherzahlen zu führen. Was halten Sie davon?
Antwort: Museen und alle öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen generell haben nicht nur den Auftrag, möglichst viele Besucher anzuziehen. Jeder Museumsleiter freut sich selbstverständlich, wenn das Haus voll ist. Aber Museen haben einen Bildungsauftrag und sind Forschungsstätten. Sammeln heißt nicht nur kaufen, sondern auch restaurieren, erhalten und erforschen. Natürlich müssen Museen transparent wirtschaften und ordentlich mit öffentlichen Geldern umgehen. Aber wir müssen uns auch immer an den Bildungsauftrag erinnern. Daraus sind Museen doch einmal entstanden. Und gerade Bildung ist in diesen Zeiten besonders wichtig.
Frage: NRW ist kein homogenes Land, das Rheinland tickt anders als Westfalen. Wie soll man daraus ein Profil machen, das bundesweit ausstrahlt und ein Gegengewicht zu Berlin schafft?
Antwort: Auch in Berlin wird doch häufig nur mit Wasser gekocht. In erster Linie müssen wir versuchen, uns nicht unentwegt an Berlin abzuarbeiten. In NRW sind die Landesteile sehr unterschiedlich. Wenn wir das immer als einen großen Topf vermitteln wollen, ist das für Außenstehende sicher verwirrend. Ich denke, man sollte die Regionen stärker positionieren.
Frage: Wie könnte das gehen?
Antwort: Ein Beispiel: Wir haben das Ruhrgebiet mit seinen zum Teil noch brachliegenden Industriehinterlassenschaften. Die strahlen im Grunde heute den Reiz aus, den Berlin einmal hatte, als die Mauer fiel. Wir sollten überlegen, wie wir das Ruhrgebiet für Künstler attraktiver machen.
ZUR PERSON: Die gebürtige Aachenerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (63) ist zwar Volljuristin, aber seit vielen Jahren im Kulturbereich tätig. Vor ihrer Nominierung zur NRW-Kulturministerin war sie ab 2004 Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder. In dieser Funktion unterstützte sie Kunstankäufe für Museen. Zuvor war sie unter anderem Kulturdezernentin in Aachen und Kanzlerin der Hochschule für Musik in Köln.
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