"Vorreiterrolle bei künstlicher Intelligenz"
Frau Pfeiffer-Poensgen, Sie leiten ein Doppelministerium, Kultur und Wissenschaft. Mit Kultur bringt man Sie direkt in Verbindung, wie aber ist Ihr Zugang zur Wissenschaft?
Isabel Pfeiffer-Poensgen: So habe ich mein Berufsleben eigentlich begonnen: Ich bin von Hause aus Juristin und habe mein Referendariat in Hamburg absolviert. Danach bekam ich meine erste größere Stelle in der Wissenschaftsbehörde, als persönliche Referentin des parteilosen Senators und Philosophen Klaus Michael Meyer-Abich. Anschließend wurde ich Kanzlerin der Musikhochschule in Köln. So kommt mein Bezug zur Wissenschaft zustande.
Wie empfinden Sie denn den Perspektivwechsel als Ministerin?
Pfeiffer-Poensgen: Was mich am stärksten beeindruckt, ist die durchgreifende Veränderung, die in den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen stattgefunden hat. Das hängt mit dem Hochschulfreiheitsgesetz zusammen, das den Hochschulen große Gestaltungsspielräume eröffnet. Sie haben viel mehr Verantwortung und können zeigen, welches Potenzial sie besitzen. Da hat sich in 15 Jahren die Welt im besten Sinne völlig verändert.
Wo muss man die Hochschullandschaft in NRW in diesem Prozess einsortieren, auch im nationalen und internationalen Vergleich?
Pfeiffer-Poensgen: Da ist für uns im nationalen Maßstab die Exzellenzstrategie wichtig. Als im vergangenen Jahr die Cluster- Entscheidung fallen sollte, gab es am Anfang deutschlandweit 200 Bewerbungen, davon waren am Ende noch 57 im Rennen – und Nordrhein-Westfalen hat 14 Cluster gewonnen. Plötzlich waren alle erstaunt: Man dachte immer an die Bundeshauptstadt Berlin als konzentrierten Hochschul-Standort, man dachte an München und vielleicht an Heidelberg - das war's. Und nun gibt es in Nordrhein-Westfalen fünf Hochschulen, die sich auch für die nächste Stufe - die Bewerbung als Exzellenzuniversität – qualifiziert haben.
Wo sehen Sie den Wissenschaftsstandort NRW? Gibt es einen Trend zu mehr Diversifizierung, wohin geht die Entwicklung?
Pfeiffer-Poensgen: Es gibt einen klaren Trend zur Clusterbildung. Das hängt damit zusammen, dass Forschung immer interdisziplinärer wird und mehr mit großen Datenmengen zu tun hat, die man gemeinsam nutzt. Ein schönes Beispiel ist die Medizinforschung, da gibt es einen Zusammenschluss zwischen den Unis in Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf, die in bestimmten Feldern der Krebsforschung kooperieren. Im Kern geht es darum, durch große Datenmengen zu Erkenntnissen von Krankheitsverläufen zu kommen. Je mehr Kliniken in Nordrhein-Westfalen zusammenarbeiten, desto besser ist die Grundlage für die translationale Medizin, die versucht, Forschung schnell in personalisierte Therapie umzusetzen.
Welche anderen Felder gibt es?
Pfeiffer-Poensgen: Da gibt es zum Beispiel den großen Bereich der Forschung in den Bereichen wie "maschinelles Lernen" oder "künstliche Intelligenz". Da haben wir versucht, möglichst viele Akteure an einen Tisch zu holen Es kamen Teilnehmer aus den unterschiedlichsten Bereichen, von Fraunhofer Instituten, aus Unternehmen und Gewerkschaften, Grundlagenforscher von Paderborn bis Mülheim und Aachen. Uns interessiert, wo Potenziale vorhanden sind und wie sie sich verbinden lassen. Das hat unser Ministerium mit dem Wirtschaftsministerium zusammen organisiert.
Wie ist das Verhältnis von Ländern und Bund?
Pfeiffer-Poensgen: Das ist stark durch Wettbewerbe geprägt, so wie bei der Exzellenzstrategie auch. Das heißt, nicht das Land an sich, sondern ein bestimmter Forschungszweig bewirbt sich bei einem Programm, das der Bund ausschreibt. Und natürlich versuchen wir, etwa durch finanzielle Zusagen, zu flankieren, weil der Bund selten zu hundert Prozent finanziert. Darüber hinaus gibt es ein starkes Standbein in der EU, denn auch diese verfügt über eine potente Forschungsförderung.
Kann man sagen, dass bei diesem großen, visionären Thema "künstliche Intelligenz" NRW in eine Vorreiterrolle gehen will?
Pfeiffer-Poensgen: Will und hoffentlich auch wird. Man muss sich aber genau überlegen, was man dort macht, denn wir können nicht mithalten mit Amazon, Facebook oder Google, die Hunderte von Millionen Dollar investieren. Wir müssen uns in bestimmten Bereichen profilieren, deshalb haben wir diese Plattform gebildet. Wir müssen bestimmte Bereiche auch personell entsprechend ausstatten, uns mit der Wirtschaft vernetzen und Programme für Start-ups auflegen. Wir haben das sogenannte Rückkehr-Programm, bei dem in der aktuellen Runde wieder sechs Stellen ausgeschrieben werden - diese sollen Wissenschaftler, die ins Ausland gegangen sind, motivieren, nach Deutschland zurückzukehren. Das ist in diesem Jahr explizit ausgeschrieben für KI.
Geht es bei diesem Thema auch darum, es zu reflektieren, also moralische, philosophische Fragen zu erörtern?
Pfeiffer-Poensgen: Absolut. Es geht einmal um Spitzenforschung, es geht um eine gute Vernetzung mit der Wirtschaft, für die KI das Thema Nummer eins ist. Aber das dritte Standbein ist die Ethik in der Umsetzung. Es geht eben nicht nur um die technische Seite, sondern auch um das sozialwissenschaftliche Umfeld. Was wir gerne in Angriff nehmen würden, ist ein Institut für Digitalisierungsforschung. Da gibt es bereits einen Nukleus mit einem Kreis von Wissenschaftlern mit Sitz in Bochum, aus dem heraus sich das entwickeln soll.
Wenn man an Wissenschaftsstandorte denkt, fallen einem aber immer noch eher Baden-Württemberg oder Bayern ein. Muss NRW noch daran arbeiten, wirklich die Topleute anzulocken?
Pfeiffer-Poensgen: Daran muss man unbedingt noch arbeiten. Der attraktivste Standort ist Berlin, nach wie vor. Amerikanische Wissenschaftler, die man nach Deutschland holen möchte, können mit Berlin etwas anfangen, vielleicht noch mit München und Heidelberg, aber NRW tut sich etwas schwerer.
Wie bewerten Sie die Universitäts-Stadt Köln?
Pfeiffer-Poensgen: Die Kölner Universität hat gerade einen unglaublich guten Lauf. Das liegt daran, dass sie schon sehr lange und sehr konzentriert ihr Hochschulprofil entwickelt. Auch das hängt mit der Hochschulfreiheit zusammen. Da haben sich viele in der Hochschule auf den Weg gemacht, die zudem das Glück haben, einen Rektor zu haben, dem es gelingt, Entwicklungen zusammenzuführen. Sie hat sich auch baulich fantastisch entwickelt, was auch daran liegt, dass sie über Grundstücke verfügt und in Eigenregie baut.
Wie steht die Universität im kommenden Exzellenzwettbewerb da?
Pfeiffer-Poensgen: Es gibt nun eine Begutachtung aller Hochschulen, die sich in der letzten Stufe qualifiziert haben. Das heißt, sie müssen mindestens zwei Cluster in der vorangegangenen Förderrunde gewonnen haben. Das sind in NRW fünf Hochschulen, von denen nicht alle erfolgreich sein können, denn bundesweit wird der Titel nur elfmal vergeben. Köln ist im März dran. Zwei Tage muss die Uni dann performen: Es gibt sogenannte Begehungen, bei denen die unterschiedlichsten Gruppen zu den unterschiedlichen Themen befragt werden, und es kommt der Ministerpräsident, der mit mir zusammen ebenfalls befragt wird: Was leistet das Land, wie steht es zu der Hochschule? Das alles vor einer Gruppe aus 20 Gutachtern, von denen nur die wenigsten aus Deutschland kommen.
Es gibt in Köln seit einiger Zeit die Diskussion, ob die Uniklinik denn mit den städtischen Kliniken kooperieren soll. Wie ist Ihre Position?
Pfeiffer-Poensgen: Es ist konsequent, solche Pläne zu haben. Trotzdem muss ein Uniklinikum auch die wirtschaftliche Seite im Auge behalten, und da muss man prüfen, was auf die Uniklinik an finanziellen Belastungen zukäme.