KULTUR UND WISSENSCHAFT

IN NORDRHEIN-WESTFALEN

Geisteswissenschaften aus Nordrhein-Westfalen erhalten Millionenförderung für Forschungsprojekte

30.11.2025

Vorhaben aus Aachen, Bielefeld, Bochum, Köln und Münster bei Akademienprogramm erfolgreich

Großer Erfolg für die geisteswissenschaftliche Forschung in Nordrhein-Westfalen. Vier Forschungsprojekte mit nordrhein-westfälischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden ab dem kommenden Jahr in das Akademienprogramm aufgenommen. In diesem von Bund und Ländern finanzierten Programm der deutschen Wissenschaftsakademien erhalten die vier Forschungsvorhaben eine Förderung über bis zu 25 Jahre. Insgesamt werden rund 42 Millionen Euro für die Langzeit-Projekte bereitgestellt. Angesiedelt sind die Projekte aus Nordrhein-Westfalen an den Universitäten in Aachen, Bielefeld, Bochum, Köln und Münster.

Das Akademienprogramm dient der Erschließung, Sicherung und Erforschung weltweiter kultureller Überlieferungen. Es ist das größte Langzeit-Forschungsprogramm für geistes- und sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung der Bundesrepublik Deutschland und wird von der Akademienunion koordiniert. Diese gab am Freitag die neuen Aufnahmen bekannt.


Ministerin Ina Brandes

„Die Aufnahme gleich vier herausragender geisteswissenschaftlicher Projekte aus Nordrhein-Westfalen ist ein großartiger Erfolg. Das Akademienprogramm zählt zu den wichtigsten Säulen der geisteswissenschaftlichen Forschung in Deutschland. Mit vier neuen Projekten stehen wir an der Spitze aller Bundesländer. Das belegt eindrucksvoll die Stärke des Wissenschaftsstandortes Nordrhein-Westfalen. Die Forscherinnen und Forscher leisten unverzichtbare Arbeit, indem sie unser kulturelles Erbe sichern, zugänglich machen und für kommende Generationen erschließen.“

Wissenschaftsministerin Ina Brandes

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Dr. h.c. Gerd Heusch, Präsident der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste: „Natürlich sind wir als Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste stolz, dass ab 2026 gleich vier weitere Projekte von Forschenden aus unserem Bundesland im Rahmen des Akademienpro-gramms gefördert werden. Das sind sehr gute Nachrichten für unsere Akademie und den Wissenschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Die erfolgreichen Projekte unterstreichen zudem die Bedeutung der Geisteswissenschaften für unsere Gesellschaft. Denn alle vier Forschungsvorhaben tragen auf unterschiedliche, aber herausragende Weise dazu bei, dass unser kulturelles Erbe nicht verloren geht.“


Gefördert werden können exzellente Projekte mit einer Dauer von 12 bis 25 Jahren. Über die Aufnahme entscheidet die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) auf Empfehlung der Fachkommissionen der Akademien und der Akademienunion. Die Finanzierung wird zur Hälfte vom Bund, zur Hälfte von den Ländern bereitgestellt. Mit den vier neu ausgewählten Projekten werden künftig 19 Projekte an nordrhein-westfälischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen über das Akademienprogramm gefördert.

Die neuen Projekte:

  • „Der Vatikan und die Verfolgung der Juden in Europa. Bittschreiben an den Papst und ihr Weg durch die vatikanischen Instanzen. Digitale Edition und Auswertung eines der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Quellenkorpus“

    Verantwortliche Akademien: Düsseldorf, Berlin
    Standort in Nordrhein-Westfalen: Universität Münster
    Beteiligte Wissenschaftler in Nordrhein-Westfalen: Prof. Dr. Dr. h. c. Hu-bert Wolf, Prof. Dr. Michael Seewald, Prof. Dr. Jan Vom Brocke
    Förderung: 15,4 Millionen Euro über 25 Jahre

    Tausende Jüdinnen und Juden wandten sich während der Schoah in Bittschreiben an den Papst und schilderten darin eindrücklich ihre Not und ihre Hoffnung auf Rettung. Diese rund 10.000 Schreiben sowie um-fangreiche vatikanische Entscheidungsunterlagen sind erst seit 2020 zugänglich. Ein Forschungsteam der Universität Münster erschließt diesen einzigartigen Quellenbestand erstmals systematisch: Die Briefe und Fallgeschichten werden digital ediert, und mithilfe moderner KI-Methoden wird untersucht, wer die Bittstellenden waren, welche Hilfe sie suchten und wie der Vatikan auf ihre Bitten reagierte. Die Ergebnisse werden in einer mehrsprachigen Online-Plattform öffentlich zugänglich gemacht – für Wissenschaft, Gesellschaft und insbesondere für die Nachkommen der Verfolgten.

  • „Die Krokodil- und Menschenmumien von Tebtynis: KI-gestützte Zusammenführung und editorische Erschließung hellenistischer Papyri der Bancroft Library (Berkeley)“

    Standorte: Universität zu Köln, Universität Münster
    Sprecher/Beteiligte Wissenschaftler: Prof. Dr. Charikleia Armoni, Prof. Dr. Jürgen Hammerstaedt, Prof. Dr. Patrick Sänger
    Förderung: 4,34 Millionen Euro über 15 Jahre

    In der Bancroft Library in Berkeley lagern rund 20.000 bislang kaum erforschte Papyri aus der hellenistischen Zeit, die ursprünglich als Umwicklungen von Krokodil- und Menschenmumien in der Nekropole von Tebtynis dienten. Das Forschungsteam will diesen einzigartigen Quellenbestand im Rahmen des Projekts erstmals systematisch erschließen, digital bearbeiten und veröffentlichen. Mithilfe moderner KI-Methoden könnten beispielsweise zerteilte Fragmente zusammengefügt werden. Eine digitale Plattform wird die Ergebnisse künftig weltweit zugänglich machen.


  • „Edition wissenschaftliche Software. Wissenschaftshistorische und wissenschaftsphilosophische Forschung und Edition zur Softwaregeschichte der Digitalen Wissenschaften von 1950 bis 2010“

    Standorte in Nordrhein-Westfalen: RWTH Aachen, Universität Bielefeld
    Beteiligte Wissenschaftler in Nordrhein-Westfalen: Prof. Dr. Gabriele Gramelsberger, Prof. Dr. Carsten Reinhardt
    Förderung: 12,4 Millionen Euro über 21 Jahre

    Die Digitalisierung hat die Wissenschaft tiefgreifend verändert – doch die historische Forschung hat diesen Wandel bislang kaum erfasst, vor allem nicht die zentrale Rolle wissenschaftlicher Software. Ein interdis-ziplinäres Team will dies ändern. Ziel ist es, wissenschaftliche Software aus den Jahren 1950 bis 2010 systematisch zu sichern, zu analysieren und editorisch aufzubereiten. So soll erstmals eine Forschungslinie zur Softwaregeschichte der Digitalen Wissenschaft entstehen. Zugleich werden Archivierungsstandards entwickelt und in einer offenen Online-Plattform bereitgestellt.


  • „Westgermanien im Wandel - Edition und multidisziplinäre Erforschung der nordwestdeutschen Kulturlandschaft während der römischen Kaiserzeit (1.-4. Jahrhundert)“

    Standort in Nordrhein-Westfalen: Ruhr-Universität Bochum
    Beteiligte Wissenschaftler in Nordrhein-Westfalen: Prof. Dr. Thomas Stöllner
    Förderung: 10,7 Millionen Euro über 18 Jahre

    Der nordwestdeutsche Raum zwischen Weser, Rhein und Nordsee ist zentral für das Verständnis der römisch-germanischen Beziehungen im 1.–4. Jahrhundert. Trotz vieler Großgrabungen sind zahlreiche Funde bislang unveröffentlicht. Das 18-jährige Akademieprojekt Westgermanien im Wandel erschließt diesen Quellenbestand erstmals systematisch und macht ihn digital zugänglich. Unter Leitung von Lorenz Rahm-storf (Göttingen), Thomas Stöllner (Bochum) und Hauke Jöns (NIhK) wertet ein interdisziplinäres Team archäologische und naturwissenschaftliche Materialien aus. Im Fokus stehen kulturelle Kontakte zum Römischen Reich, interne gesellschaftliche Entwicklungen, Siedlungsformen, Wirtschaftsstrukturen sowie Umwelt- und Lebensbedingungen.


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